Themenfelder rund um Stadt und Klima
Energie und Infrastrukturen
Dezentralisierung
Mobilität der Zukunft
Bauen der Zukunft
Energie und Infrastrukturen
Oberstes Ziel der Bemühungen für eine klimaneutrale Stadt ist der Umstieg auf erneuerbare Energien. Das erfordert nicht nur neue Lösungen bei der Energiegewinnung. Vielmehr braucht es eine Umorganisation des gesamten Energiesystems. Dabei stellt sich die Frage, ob die die Energie dezentral und lokal gewonnen werden soll. Wie wird Energie gespeichert? Wie lassen sich kommunale Flächen in Städten für die Gewinnung von Energie nutzen?
Flächen sind in Metropolen kostbares Gut und so steigt der Bedarf nach einer effizienten Nutzung. Die Bündelung von Infrastruktursystemen verschiedener Art kann hierzu einen Beitrag leisten. Wenn etwa Trassen für Personen- und Warenverkehr intelligent gebündelt werden, kann Raum für Erholungsgebiete frei werden. Auch die Infrastrukturen etwa für die Entsorgung können mit anderen gebündelt und vernetzt werden.
An solchen Lösungen forscht etwa die „Morgenstadt-Initiative“ der Fraunhofer-Gesellschaft im Projekt „Straße der Zukunft“. Dabei wurden verschiedene Visionen für den Straßenraum der Zukunft entwickelt, die allesamt von vernetzten, autonomen Verkehrssystemen und Raum für Fußgänger- und fahrradverkehr ausgehen.
Dezentralisierung spart Energie
Die Verwendung regionaler Produkte erfreut sich besonders bei Lebensmitteln zunehmender Beliebtheit. Dieses Konzept lässt sich auch – wo durch natürliche Bedingungen begünstigt – auf Baustoffe ausweiten, wie das in vorindustriellen Zeiten bereits üblich war. Dadurch kann energieintensiver Transport reduziert werden.
Einen wichtigen Beitrag zur Ressourcenschonung kann zudem das sogenannte „Urban Mining“ leiten. Darunter versteht man die Rückgewinnung von Wertstoffen aus Abfällen und Abwässern. Auch hier kann durch die Vermeidung von Transportwegen Energie gespart werden, wenn diese Recyclingprozesse vor Ort stattfinden, anstatt Abfälle über weite Strecken zu transportieren werden, um entsprechende Stoffe aus ihnen zu gewinnen.
Wie Siedlungen ressourceneffizient gestaltet und entwickelt werden können, untersucht das Leibniz Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR). Dabei steht im Fokus, Flächen und natürliche Ressourcen möglichst schonend und umweltverträglich zu nutzen.
Mobilität der Zukunft
Der Verkehr trägt einen bedeutenden Teil zur Belastung der Umwelt mit Treibhausgasen bei. Innovationen sind gefragt, um diese Emissionen auf vielfältige Weise zu reduzieren: durch energieeffizientere Antriebe und durch Umstieg auf klimaneutrale Energiequellen. Erreicht werden kann dies gleichzeitig nur, wenn es zu einer intelligenten Bündelung von Verkehren sowie zur Reduzierung unnötiger Verkehre kommt.
Dabei sind vielfältige Ansätze denkbar. Die Metropolen der Welt unternehmen bereits viele Anstrengungen, um den öffentlichen Personennahverkehr und den Fahrrad- und Fußgängerverkehr attraktiver zu machen. Das sogenannte Karlsruher Modell ermöglichte es etwa, Straßenbahnfahrzeuge aus der Innenstadt heraus auf Eisenbahnstrecken ins Umland zu führen. Das Erfolgsmodell wurde mittlerweile in weiteren Städten eingeführt, etwa in Kassel oder Saarbrücken. In Stuttgart, da in den 1960er Jahren sehr auf den Autoverkehr ausgerichtet wurde, wurden mittlerweile wieder niveaugleiche Fußgängerwege über den sogenannten City-Ring angelegt, sodass die Fußgänger nicht mehr die unbeliebten Unterführungen nutzen müssen. Teilweise ist geplant, die Straßen unter die Erde zu legen. Wie in vielen deutschen Großstädten wächst auch hier das Stadtbahnnetz kontinuierlich.
Auch Moskau baut in atemberaubender Geschwindigkeit sein Metronetz aus und errichtet zudem gesonderte Spuren für Expressbusse.
Für nachfrageschwache Zeiten sowie für die letzte Meile in Wohngebieten sind etwa autonome Kleinfahrzeuge auf Anrufbasis denkbar. Das Deutsche Institur für Urbanisik (difu) arbeitet derzeit etwa an einer Studie, wie solche On-Demand-Angebote in der Region Hannover als Ergänzung zum bestehenden Personennahverkehr eingerichtet werden können.
Bereits seit 2010 fahren in Nürnberg führerlose U-Bahnen. Weitaus schwieriger zu automatisieren sind dagegen Straßenbahnen, da diese viel mehr Berührungspunkte mit anderen Verkehrsträgern haben. Siemens arbeitet in Potsdam an Versuchen mit einer fahrerlosen Tram.
Auf der Straße ist man schon etwas weiter. Im bayerischen Bad Birnbach ist seit 2017 ein autonom fahrender Kleinbuch mit Elektroantrieb unterwegs. Seit 2019 verbindet das von einer Tochterfirma der Deutschen Bahn AG betriebene Verkehrsmittel den Ort mit dem 1,5 Kilometer entfernten Bahnhof. Seit 2019 ist auch in Berlin versuchsweise ein autonomer Bus unterwegs.
Dabei stellt sich zukünftig die Frage: Wie soll die Infrastruktur aussehen? Für welche Verkehrsmittel werden Trassen vorgehalten. Lassen sich geneinsame Nutzungen bestehender Infrastrukturen erreichen? Dies betrifft auch den Warenverkehr im urbanen Raum, der durch den Online-Handel enorm zunimmt.
Die Bauhaus Universität Weimar arbeitet zum Beispiel an einem Projekt, das Betreibermodelle für flächeneffizienten Verkehr in urbanen Räumen untersucht. Am Lehrstuhl und Institut für Stadtbauwesen und Stadtverkehr der RWTH Aachen wird derzeit eine Studie erstellt, wie ein schienengebundenes autonomes Transportsystem in die städtische Infrastruktur eingebaut werden kann. Durch deutlich kleinere Fahrzeuge als bei der klassischen Eisenbahn zum Einsatz kommen, die zeitlich flexible und umsteigefreie Direktverbindungen ermöglichen. In Kombination mit der Einfahrt in Städte auf Straßenbahnschienen oder mit sogenannten Straßen-Drive-Units soll dabei eine Flexibilität für das System Schiene erreicht werden, die bislang dem individuellen Straßenverkehr vorbehalten ist.
Und zuletzt: Eine der größten Herausforderungen ist es, Verkehr zu reduzieren. Neben unpopulären regulatorischen Maßnahmen wie Fahrverboten und Mautgebühren liegen die langfristigen Möglichkeiten hier auch in einer vorausschauenden Stadtplanung. Diese sollte darauf abzielen, die notwendigen Wegstrecken, die Personen auf dem Weg zur Arbeit, zum Einkaufen und in der Freizeit zurücklegen, so kurz wie möglich halten. Das kann zum Beispiel erreicht werden, indem Schulen, Einkaufszentren oder Behörden an entsprechend günstigen Stellen gebaut werden.
Bauen der Zukunft
Ein weiterer Faktor, der zum Ausstoß von Treibhausgasen beiträgt, ist die Beheizung und Kühlung von Gebäuden. Bei Neubauten ist die Technik bereits weit fortgeschritten, wenn es darum geht, energiesparende Gebäude zu errichten. Klimafreundliche Stadtquartiere in zahlreichen Städten der Welt zeigen, welches enorme Einsparungspotenzial hierin liegt.
Dies muss auch im vorhandenen Baubestand verbessert werden. Zum einen sprechen denkmalpflegerische Gesichtspunkte für den Erhalt alter Bausubstanz. Zudem genießt diese bei der Bevölkerung in der Regel höhere Sympathien und sorgt damit für ein hohes Maß an Lebensqualität. Doch auch bei weniger alten Gebäuden kann eine klimagerechte Sanierung auf lange Sicht klimafreundlicher sein als Abbruch und Neubau, da schon allein durch diese Bautätigkeiten Emissionen in großem Ausmaß entstehen. Fachleute sind daher gefragt, Konzepte zum Erhalt bestehender Bausubstanz bei gleichzeitiger Anpassung an modernen Klimaschutz zu entwickeln.
Nicht zuletzt kann das Klima aktiv geschont werden, indem der vorhandene Baubestand effizienter genutzt wird. Mit dem Projekt „OptiWohn“ untersucht das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, wie dies anhand von Wohnflächen geschehen kann, um den Flächen- und Ressourcenverbrauch durch Neubauten zu verringern.
Städtisches Mikroklima
Nicht nur das globale Klima ist einem Wandel unterzogen. Viele Städte spüren den Klimawandel unmittelbar vor Ort, sei es durch erhöhte Temperaturen im Sommer oder steigende Gefahr von Hochwasser, etwa durch Starkregen. Die extreme Versiegelung innerstädtischer Flächen im 20. Jahrhundert hat zudem stark dazu beigetragen, dass es in den Metropolen zu extremen klimatischen Bedingungen kommen kann.
Begrünung, Kaltluftschneisen und Wasserflächen spielen eine zentrale Rolle bei der Verbesserung der mikroklimatischen Bedingungen. Zur Begrünung mit Sauerstoff und Kühle spendenden Pflanzen eignen sich sowohl Verkehrsinfrastrukturen wie Straßenbahntrassen als auch Dächer und Fassaden von Gebäuden.
Auf Mikroebene kann zudem das „Urban Gardening“, also der Anbau von Nutzpflanzen im städtischen Bereich, zur Verbesserung des Innenstadtklimas beitragen.
Eine interdisziplinäre Aufgabe
Die technischen Lösungen für eine klimafreundliche Umgestaltung der Metropolen befinden sich in der Entwicklung. Vieles ist schon heute technisch erprobt und einsatzbereit, wie die genannten Beispiele zeigen. Andere Technologien befinden sich noch in der Entwicklung. Die klimafreundliche Umgestaltung der Städte ist eine langfristige Aufgabe, bei der Wissenschaften unterschiedlicher Disziplinen gefragt sind. Ebenso müssen alle Akteure innerhalb des Lebensraums Stadt in diesen Prozess einbezogen werden, wenn es zu einer gesamtgesellschaftlichen Akzeptanz kommen soll. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie all die Neuerungen so gestaltet werden können, dass sie sich in das marktwirtschaftliche System integrieren lassen.
Neben den vielfältigen Ingenieurswissenschaften sind hier auch Sozial- und Wirtschaftswissenschaften gefragt. Für neuartige Infrastrukturen gilt es Betreibermodelle zu entwickeln, die ein marktwirtschaftliches Handeln ermöglichen. Es braucht allgemeine Standards für innovative Technologien, etwa bei der Elektromobilität. Hier sind Wirtschaft, Wissenschaft und Politik geleichermaßen gefordert, die entsprechenden Bedingungen zu schaffen.
Gesellschaftliche Teilhabe und Mitbestimmung auf lokaler Ebene kann die Bereitschaft der Bevölkerung steigern, sich aktiv an den Wandlungsprozessen zu beteiligen.
Durch die teilweise unterschiedliche Planungs- und Beteiligungskulturen und verschieden aufgebauten Gemeinwesen können Deutschland und Russland hierbei voneinander lernen. Veranstaltungen im Rahmen des DWIH-Jahresthemas „Städte und Klima“ werden hierfür eine Plattform bieten.
Autor: Jiří Hönes, Moskauer Deutsche Zeitung